Screentime vor dem Schlafengehen: Neue Evidenz zu Auswirkungen auf Schlafqualität und -dauer
Ob Scrollen durch Social Media, Streaming oder Chatten – die Nutzung digitaler Geräte in den Abendstunden ist für viele Patient:innen Teil der Alltagsroutine geworden. Doch wie wirkt sich diese Gewohnheit insbesondere unmittelbar vor dem Einschlafen auf die Schlafqualität und -dauer aus?
Eine aktuelle Untersuchung zur Screentime, die im Fachjournal JAMA Network Open veröffentlicht wurde, liefert neue, bevölkerungsbezogene Daten zu diesem Zusammenhang.
Daten von mehr als 120.000 Teilnehmenden untersucht
In einer Querschnittsanalyse wurden Daten von 122.058 Erwachsenen (18–28 Jahre) aus der American Cancer Society Cancer Prevention Study-3 ausgewertet. Ziel war es, den Zusammenhang zwischen täglicher Bildschirmnutzung (“Screentime”) vor dem Zubettgehen und verschiedenen Schlafparametern zu untersuchen – darunter Schlafdauer, Schlafenszeit und subjektiver Schlafqualität.
Die Ergebnisse bringen tägliche Screentime mit einer verkürzten Schlafdauer sowie einer schlechteren selbst eingeschätzten Schlafqualität in Verbindung. Der Zusammenhang war bei Teilnehmendem mit einem späteren Chronotyp stärker ausgeprägt.
- 41,2 % der Befragten gaben an, täglich vor dem Zubettgehen digitale Medien zu nutzen; 17,4 % verzichteten zu dieser Tageszeit komplett auf Screentime.
- Im Vergleich zur bildschirmfreien Gruppe zeigte sich bei den Teilnehmenden mit täglicher Screentime vorm Schlafengehen:
- eine 33 % häufigere schlechte Schlafqualität (Prevalence Ratio 1.33; 95 % CI: 1.27–1.39),
- eine um durchschnittlich 7,64 Minuten kürzere Schlafdauer an Werktagen (95 % CI: 6,65–8,63 Minuten),
- sowie eine um 5,04 Minuten kürzere Schlafdauer an arbeitsfreien Tagen (95 % KI: 4,03–6,05 Minuten).
- eine 33 % häufigere schlechte Schlafqualität (Prevalence Ratio 1.33; 95 % CI: 1.27–1.39),
- Besonders auffällig war der Effekt in Abhängigkeit vom Chronotyp:
- Teilnehmende mit abendlichem Chronotyp (sogenannte “Eulen”) gingen bei täglicher abendlicher Bildschirmzeit an Werktagen 15,62 Minuten später schlafen als bildschirmabstinente Vergleichspersonen,
- bei morgendlichen Chronotypen (sogenannte “Lerchen”) lag diese Differenz bei 9,33 Minuten.
- Teilnehmende mit abendlichem Chronotyp (sogenannte “Eulen”) gingen bei täglicher abendlicher Bildschirmzeit an Werktagen 15,62 Minuten später schlafen als bildschirmabstinente Vergleichspersonen,
Diskutierte Erklärungsansätze
Die Autor:innen diskutieren mehrere mögliche Mechanismen, durch die Bildschirmnutzung vor dem Schlafengehen den Schlaf beeinträchtigen könnte:
- Kognitive und emotionale Aktivierung, etwa durch interaktive oder aufwühlende Inhalte,
- Verzögerung der Bettzeit durch Ablenkung oder mangelnde Schlafroutine,
- Hemmung der Melatoninproduktion durch kurzwellige Lichtanteile digitaler Displays.
Obwohl in der Studie keine Differenzierung nach Art der konsumierten Inhalte (z. B. Social Media, Nachrichten, Entertainment) vorgenommen wurde, erscheinen insbesondere emotional aktivierende Mediennutzungen – etwa über soziale Netzwerke – als plausible zusätzliche Einflussfaktoren auf Ein- und Durchschlafstörungen.
Die Ergebnisse im Zusammenhang mit KVT-I
Die Ergebnisse stützen bestehende schlafhygienische Empfehlungen, wie sie im Rahmen der kognitiven Verhaltenstherapie bei Insomnie (KVT-I) vermittelt werden – etwa durch psychoedukative Module zur Abendgestaltung, individualisierte Handlungsempfehlungen oder schrittweise Verhaltensmodifikation.
Gerade bei Patient:innen mit abendlichem Chronotyp, die ohnehin zu späteren Einschlafzeiten neigen, sollte der Fokus auf einer strukturierten Abendroutine mit klar definierten bildschirmfreien Phasen liegen.
Fazit
Die Studie aus JAMA Network Open liefert Hinweise darauf, dass tägliche Bildschirmnutzung vor dem Zubettgehen bei jungen Erwachsenen mit verkürzter Schlafdauer und verminderter subjektiver Schlafqualität einhergeht – insbesondere bei abendlichen Chronotypen. Für medizinische und psychotherapeutische Fachpersonen ergibt sich daraus ein klarer Handlungsimpuls: Das Thema „Screentime“ sollte im Rahmen von Diagnostik, Beratung und Therapie systematisch adressiert und auch ein Fokus auf eine mögliche kognitive Aktivierung durch die Art der konsumierten Inhalte gelegt werden.
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Quellen
Jørgensen KM, Sivertsen B, Huseby N, Vedaa Ø, Pallesen S. Association of Daily Screen Use Before Bedtime With Sleep and Sleep Timing: A Population-Based Study of 122,837 Young Adults. JAMA Netw Open. 2024;7(3):e2335563. doi:10.1001/jamanetworkopen.2024.35563