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Social Media & Schlaf: So können aufwühlende Inhalte das Ein- und Durchschlafen stören

Die Nutzung sozialer Medien ist längst in den Abendstunden angekommen. Vor dem Einschlafen noch schnell durch den Feed scrollen oder Nachrichten beantworten – viele Menschen integrieren das in ihre alltägliche Routine. Doch aktuelle Studien deuten darauf hin, dass gerade diese Gewohnheit das Potenzial hat, die Schlafqualität spürbar zu beeinträchtigen.

Neue Studien zeigen: Abendliche Social-Media-Nutzung geht mit schlechterem Schlaf einher

In einer kürzlich veröffentlichten Untersuchung der Hochschule Magdeburg-Stendal gaben 69 % der befragten Studierenden an, unter schlechter Schlafqualität zu leiden. Dabei fiel auf: Personen mit intensiver Bildschirmnutzung am Abend berichteten signifikant häufiger über Grübeln, einschlafbezogene Sorgen sowie deprimierende oder ängstliche Gedanken vor dem Einschlafen

Auch eine weitere Querschnittsstudie aus China mit 2.744 Hochschul-Studierenden zeigte, dass fast 20 % der Teilnehmenden unter Schlafstörungen litten. Besonders auffällig: Die Schlafqualität stand in einem signifikanten Zusammenhang mit Social-Media-Müdigkeit und Social-Media-Abhängigkeit – also einer kognitiven Erschöpfung durch intensive Nutzung.²

Diese Daten ergänzen die Ergebnisse der kürzlich im JAMA Network Open publizierten Studie, in der bereits ein Zusammenhang zwischen allgemeiner Bildschirmnutzung vor dem Zubettgehen und verminderter Schlafqualität sowie reduzierter Schlafdauer festgestellt wurde.³

Was stört am Abend konkret den Schlaf?

In den Studien selbst sowie in der breiteren Fachliteratur werden verschiedene Mechanismen diskutiert, die die negativen Auswirkungen nächtlicher Social-Media-Nutzung auf den Schlaf erklären könnten. Dazu zählen eine kognitive und emotionale Aktivierung durch aufwühlende Inhalte, eine Verzögerung der Schlafenszeit sowie – ergänzend – eine mögliche Störung der Melatoninsekretion durch Bildschirmlicht. 

  • Kognitive und emotionale Aktivierung
    In beiden Studien wird beschrieben, dass abendliche Social-Media-Nutzung mit innerer Unruhe, negativem Gedankenkreisen oder Sorgen einhergeht – typische Faktoren, die aus der Insomnieforschung als schlafhinderlich bekannt sind. Die emotionale Involviertheit in Inhalte, etwa durch Nachrichten, Meinungsdebatten oder soziale Vergleiche, kann das psychische Erregungsniveau erhöhen und den Einschlafprozess verzögern.
  • Verzögerung der Schlafenszeit
    Social Media bietet durch endloses Scrollen, Notifications oder Interaktionsmöglichkeiten ein hohes Potenzial zur Zeitverzögerung. Die Folge: Die geplante Einschlafzeit verschiebt sich nach hinten – mit spürbaren Auswirkungen auf Schlafdauer und Erholung, insbesondere an Werktagen.
  • Lichtemission digitaler Geräte
    Obwohl nicht Gegenstand der beiden genannten Studien, wird auch dieser Effekt in der Schlafforschung diskutiert: Das von Smartphones, Tablets und Laptops ausgestrahlte kurzwellige Blaulicht könnte demnach die körpereigene Melatoninproduktion hemmen, was die biologische Schlafbereitschaft verzögert.

Implikationen für schlafmedizinische Beratung und KVT-I

Die Kombinationseffekte aus kognitiver Aktivierung, emotionalem Stress und verhaltensbedingter Einschlafverzögerung machen Social Media zu einem ernstzunehmenden Einflussfaktor auf die Schlafgesundheit – besonders bei Patient:innen mit bereits bestehender Insomnie oder erhöhter Stressvulnerabilität.

Als Goldstandard in der Behandlung von Schlafstörungen im Sinne einer Insomnie gilt die kognitive Verhaltenstherapie bei Insomnie (KVT-I). Im Rahmen der KVT-I lernen Patient:innen Methoden, Übungen und Techniken kennen, um die ursächlichen Denkmuster und Verhaltensweisen sowie weitere Faktoren, die eine Insomnie bedingen, zu verändern. Patient:innen lernen u.a. Schlafzeiten zu optimieren und schlafstörende Verhaltensweisen und innere Einstellungen durch schlaffördernde Überzeugungen und Gewohnheiten zu ersetzen.

Entsprechend beinhaltet die KVT-I auch Psychoedukation für eine geeignete Schlafhygiene. In diesem Zusammenhang ist auch die gezielte Reduktion aktivierender Mediennutzung vor dem Schlaf zu sehen. In Ableitung aktueller Forschungserkenntnisse ist dabei nicht nur die Bildschirmzeit an sich relevant, sondern auch die konsumierten Inhalte und deren emotionale Wirkung.

Fazit

Die Forschung zeigt zunehmend deutlich: Nicht nur die Dauer, sondern auch die Art der digitalen Abendnutzung beeinflusst den Schlaf. Besonders Social Media birgt das Risiko emotionaler und kognitiver Überaktivierung – mit negativen Folgen für Einschlaflatenz, Schlafqualität und subjektives Wohlbefinden.Für Fachpersonen bedeutet das: Abendliche Social-Media-Gewohnheiten sollten gezielt erfasst und thematisiert werden – sowohl in schlafmedizinischer Diagnostik als auch im therapeutischen Setting.

So kann es insbesondere für Patient:innen, die bereits von Schlafproblemen berichten, ratsam sein, mindestens 30 bis 60 Minuten vor dem Zubettgehen auf Bildschirmgeräte zu verzichten.​ Darüber hinaus können alternative Abendrituale wie Lesen, Meditation oder leichte Dehnübungen sowie eine geeignete Schlafhygiene helfen, zurück zu gesundem Schlaf zu finden.

Eine aktuelle Untersuchung zur Screentime, die im Fachjournal JAMA Network Open veröffentlicht wurde, liefert neue, bevölkerungsbezogene Daten zu diesem Zusammenhang. Hier beschäftigen wir uns genauer mit den Auswirkungen von Screentime auf Schlafqualität und -dauer.

Vorherigen Beitrag lesen:

Quellen

Schulz T et al. (2024). Mediennutzung und Schlafqualität bei Studierenden. Praev Gesundheitsf Forsch. https://link.springer.com/article/10.1007/s40664-024-00528-1

Wang Y et al. (2022). Influence of social media fatigue and addiction on sleep quality among Chinese college students. Psych J., https://doi.org/10.1371/journal.pone.0292429  

Yijie Ye, Han Wang, Liujiang Ye, Hao Gao, Associations between Social Media Use and Sleep Quality in China: Exploring the Mediating Role of Social Media Addiction, International Journal of Mental Health Promotion, Volume 26, Issue 5, 2024, https://doi.org/10.32604/ijmhp.2024.049606

Jørgensen KM et al. (2024). Association of Daily Screen Use Before Bedtime With Sleep and Sleep Timing. JAMA Netw Open. https://jamanetwork.com/journals/jamanetworkopen/fullarticle/2831993

Carter et al. (2016), Systematic review of screen media use and sleep in children and adolescents. https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC5658795/

Scott et al. (2021), Social media use and sleep: A meta-analysis.

Exelmans & Van den Bulck (2016): Bedtime mobile phone use and sleep in adults. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/26688552/

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