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Schlüsselfaktor Schlaf: Wie eine gute Nachtruhe die kognitive Leistungsfähigkeit von Jugendlichen positiv beeinflusst

Jugendliche brauchen mehr Schlaf als Erwachsene, doch viele von ihnen schlafen zu wenig oder leiden sogar unter chronischem Schlafmangel. Wie das mit dem Chronotypen, sozialen Anforderungen und dem daraus resultierenden "Social Jetlag” zusammenhängt, erfährst du in diesem Artikel. 

Ein internationales Forscher:innenteam aus dem Vereinigten Königreich und China konnte belegen, dass sich eine längere durchschnittliche Schlafdauer positiv auf die kognitive Leistungsfähigkeit von Jugendlichen auswirkt. Für die Untersuchung wurden Daten aus der ABCD Study – der größten Langzeitstudie zur Hirnentwicklung und Kindergesundheit in den USA – von 3222 Jugendlichen im Alter von elf bis zwölf Jahren analysiert. Zusätzlich wurden die Ergebnisse mit Daten von 1190 Jugendlichen im Alter von 13 bis 14 Jahren verglichen, um die Ergebnisse zu validieren.

Die Forscher:innen entdeckten drei unterschiedliche Biotypen, die sich zum Beispiel in Einschlafzeit, Schlafdauer und nächtlicher Herzfrequenz unterscheiden. Diese Schlafmuster waren nicht nur in einer Altersgruppe zu finden, sondern traten in allen untersuchten Altersgruppen auf. Außerdem zeigten sich bei den verschiedenen Biotypen auch ähnliche Unterschiede in der Struktur des Gehirns und in der geistigen Leistungsfähigkeit. Das bedeutet, dass diese Schlafmuster langfristig bedeutsam sind – nicht nur für eine kurze Zeit.

Dabei waren bereits geringfügige Unterschiede im Schlafverhalten – beispielsweise eine 15 Minuten längere Schlafdauer oder eine niedrigere nächtliche Herzfrequenz – mit messbaren Unterschieden in der kognitiven Leistungsfähigkeit und der neuronalen Reifung verbunden. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass bestimmte Schlafmuster im Jugendalter stabile Prädiktoren für die kognitive Leistungsfähigkeit darstellen. Das bedeutet, dass bestimmte Schlafgewohnheiten im Jugendalter zuverlässig vorhersagen können, wie gut die Person geistig fordernde Aufgaben bewältigt.

Schlaf und Gehirnentwicklung 

Schlaf ist kein passiver Zustand – ganz im Gegenteil: Während des Schlafes finden wichtige Erholungsprozesse statt, das Immunsystem arbeitet verstärkt und es werden Hormone ausgeschüttet, die für das Wachstum und die Regeneration von Knochen, Muskeln und Organen essentiell sind.
Schlaf ist in jeder Lebensphase bedeutsam, besonders jedoch im Kindes- und Jugendalter. Denn in dieser Zeit reift das Gehirn besonders stark: Zentrale kognitive und regulatorische neuronale Systeme entwickeln sich, was Schlaf zu einem kritischen Einflussfaktor macht.

Kinder und Jugendliche haben im Vergleich zu Erwachsenen einen deutlich höheren Schlafbedarf. So empfiehlt die National Sleep Foundation für 14- bis 17-Jährige 8 bis 10 Stunden Schlaf pro Nacht. Doch chronischer Schlafmangel bei Kindern und Jugendlichen kommt leider häufig vor und betrifft ein Achtel der Kinder und Jugendlichen in Deutschland. 

Gründe für Schlafmangel bei Jugendlichen 

Die Gründe für Schlafmangel im Jugendalter sind verschieden. Viele Jugendliche entwickeln einen späten Chronotypen, das heißt, sie werden abends später müde und würden, ihrer inneren Uhr folgend, morgens gern länger schlafen. Dieser natürliche Rhythmus steht jedoch im Widerspruch zu gesellschaftlichen Anforderungen wie einem frühen Schulbeginn oder Arbeitsstart im Ausbildungsbetrieb.

Hinzu kommt: Abends sind Freundschaften, Hobbys, soziale Medien und familiäre Verpflichtungen wichtig – und einige Jugendliche jobben nebenbei, um sich etwas dazu zu verdienen. So wird es abends schnell spät. Kein Wunder also, dass viele Jugendliche unter dem sogenannten “Social Jetlag” leiden – einem Missverhältnis zwischen biologischer Uhr und sozialem Zeitplan. 

Innere Uhr und Chronotyp
Der zirkadiane Rhythmus (die “innere Uhr”) ermöglicht die Synchronisierung des Menschen mit der Außenwelt durch unseren Schlaf-Wach-Zyklus. Das gesamte Zusammenleben in der Gesellschaft ist grundsätzlich entsprechend der Tages- und Nachtzeiten organisiert. Menschen, die in Schichtsystemen arbeiten müssen, bekommen es oft zu spüren, wenn die Arbeitszeiten der Schicht nicht ihrem natürlichen Rhythmus entsprechen oder sich häufig ändern.
Aber auch andere soziale Anforderungen können zu Diskrepanzen zwischen innerer Uhr und äußeren Rahmenbedingungen führen. Entsprechend der bevorzugten Schlafzeiten werden verschiedene Chronotypen unterschieden:
Die “Lerchen” sind früh morgens bereits fit und dementsprechend abends früher müde, während die “Eulen” das Bedürfnis haben, länger in die Abendstunden hinein wach zu bleiben, aber morgens länger zu schlafen. Häufiger verbreitet als die eindeutigen Lerchen und Eulen sind jedoch Mischtypen. Der Chronotyp verändert sich auch in Abhängigkeit vom Alter.  

Folgen von Social Jetlag

Bei Erwachsenen ist (chronischer) sozialer Jetlag mit einer Reihe gesundheitlicher Risiken verbunden – darunter  psychische Erkrankungen, Stoffwechselerkrankungen, Übergewicht und kardiovaskuläre Erkrankungen. Und auch im Jugendalter wirken sich der soziale Jetlag und ein länger anhaltender Schlafmangel negativ auf die schulischen Leistungen und generell die kognitiven Fähigkeiten aus. Wie Studien zeigen konnten, kann ein späterer Schulbeginn helfen, gesünderes Verhalten bei Jugendlichen zu fördern.

Es mehren sich die wissenschaftlichen Belege dafür, dass Schlafmangel besonders negative Auswirkungen auf die Kontrolle von Verhalten, die Emotionsregulation und die Aufmerksamkeit hat – ein Bereich, der entscheidend für die Entwicklung sozialer und schulischer Kompetenzen sowie bedeutsam in der Entstehung psychischer Störungen ist. Zwischen psychischen Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen und Schlafstörungen (Insomnie) bestehen bidirektionale Zusammenhänge

Gesunder Schlaf sollte insbesondere im Jugendalter priorisiert werden

Während sich gewisse äußere Umstände wie der Schulbeginn nicht unbedingt beeinflussen lassen, lässt sich durch das Befolgen von Schlafhygiene-Regeln und die Einrichtung von Abendritualen die Grundlage für einen gesunden Schlaf legen. Generell sind für Kinder und Jugendliche eine feste Tagesstruktur und möglichst viel Sonnenlicht, frische Luft und Bewegung wichtig für einen gesunden Schlaf. 

Wenn der Verdacht auf eine Schlafstörung (Insomnie) besteht, sollte eine medizinische Fachperson zur Abklärung hinzugezogen werden. Die kognitive Verhaltenstherapie bei Insomnie (KVT-I) ist die Methode der ersten Wahl zur Behandlung und kann neben der Verbesserung der Schlafprobleme auch positive Effekte auf depressive Symptome und Angstsymptome haben.

Quellen

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