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Insomnie und komorbide Angst- und Depressionssymptome

Die klinische Wirkung von digitaler kognitiver Verhaltenstherapie bei Insomnie in Subgruppen mit depressiven oder Angstsymptomen

Schlafstörungen zählen zu den Volkskrankheiten. In Deutschland leidet etwa ein Drittel der erwachsenen Bevölkerung gelegentlich an Schlafproblemen, etwa 6 % an einer klinisch relevanten Insomnie. Insomnie, charakterisiert durch Schwierigkeiten beim Einschlafen, Durchschlafen oder frühmorgendlichen Erwachen an mindestens drei Tagen pro Woche über mehrere Wochen, zeigt eine steigende Tendenz in der Bevölkerung und tritt häufig zusammen mit Depressionen und Angststörungen auf

Digitale KVT-I zur Erstbehandlung bei Insomnie 

Kognitive Verhaltenstherapie kann als Mittel der Wahl bei Schlaflosigkeit auch digital angewendet werden (dCBT-I = “digital cognitive behavioural therapy”) und wird in den aktualisierten europäischen Leitlinien ausdrücklich zur Erstbehandlung einer Insomnie empfohlen. Die digitale KVT-I, wie sie in der DiGA somnio umgesetzt wird, ist für Betroffene leichter in der Regelversorgung zugänglich als eine kognitive Verhaltenstherapie im face-to-face Setting. 

Im folgenden Beitrag werden die Ergebnisse einer sekundären Datenanalyse einer randomisierten kontrollierten Studie erläutert sowie Hintergrundinformationen zu Insomnie und Komorbidität mit Angststörungen und Depression bereitgestellt. Die im Nachfolgenden erläuterte Studie verglich die Effekte einer dCBT-I mit denen einer Wartelistenkontrollgruppe (WLC). Insbesondere wird die Studie hier hinsichtlich der Untergruppen mit Personen betrachtet, die zusätzlich zu ihrer Insomnie Symptome einer Depression oder Angststörung zeigten. 

Insomnie mit komorbider Angst- und Depressionssymptomatik

Ein Viertel bis ein Drittel der Patienten mit Schlaflosigkeit leiden an einer komorbiden psychischen Störung, meist an einer Depression oder an Angstzuständen (Taylor et al., 2005). Gleichzeitig umfassen die Kriterien des DSM-5 für Depressionen und Angststörungen Schlafstörungen als relevantes Symptom. Das Risiko, eine Angststörung oder Depression zu entwickeln, ist in Schlaflosigkeitspopulationen mit einem Odds Ratio (OR) von 3,23 für Angststörungen und OR 2,83 für Depression erhöht (Hertenstein et al., 2019). 


Erklärungen für diesen bidirektionalen Zusammenhang liefern neurobiologische Prozesse: Neurotransmitter wie Serotonin und Dopamin (Adrien, 2002) sowie Veränderungen in der Aktivität der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse (Balbo et al., 2010) stellen gemeinsame zugrunde liegende neurobiologische Mechanismen dar und beeinträchtigen die Regulierung der Stimmung und den Schlaf-Wach-Rhythmus. Es wird vermutet, dass ein gestörter Schlaf-Wach-Rhythmus durch diese Mechanismen die Symptome einer komorbiden Depression oder Angststörung verstärken kann (Harvey et al., 2011). 

Daher kann die Behandlung von Schlafstörungen ein entscheidender Aspekt bei der Behandlung von Depressionen und Angstzuständen sein, und es gibt Hinweise darauf, dass eine Schlafverbesserung durch kognitive Verhaltenstherapie bei Insomnie (CBT-I) die reduzierende Wirkung auf depressive Symptome (Henry et al., 2021) und Angst (Hagatun et al., 2018) beeinflusst. 

Überblick über die Sekundäranalyse

In der Studie wurden N = 238 Teilnehmende, die die Kriterien des DSM-5 bezüglich chronischer Schlaflosigkeitsstörungen erfüllten, nach dem Zufallsprinzip entweder einer 8-wöchigen digitalen kognitiven Verhaltenstherapie gegen Schlaflosigkeit + Behandlung wie gewohnt oder einer Warteliste + zugewiesen Behandlung wie gewohnt zugeordnet. 


Um die klinischen Auswirkungen der digitalen kognitiven Verhaltenstherapie bei Schlaflosigkeit in Populationen mit komorbiden Angst- und Depressionssymptomen zu bestimmen, fokussierte sich die Sekundäranalyse auf zwei Untergruppen: Teilnehmende mit starken anfänglichen depressiven Symptomen und Teilnehmende mit starken anfänglichen Angstsymptomen. 

Symptome von Schlaflosigkeit, Depression und Angstzuständen wurden als primäre Ergebnismaße zu Studienbeginn, 8 Wochen nach der Randomisierung und, nur in der Interventionsgruppe, 6 und 12 Monate nach Interventionsende ermittelt. 8 Wochen nach der Randomisierung war der Einsatz digitaler kognitiver Verhaltenstherapie bei Schlaflosigkeit in beiden Untergruppen mit einer starken Verringerung des Schweregrads der Schlaflosigkeit im Vergleich zur Kontrollgruppe verbunden (Untergruppe Depression: d = 2,37; Untergruppe Angst: d = 2,13). 

Behandlungseffekte zwischen den Gruppen wurden auch für Depressionssymptome in der Depressionsuntergruppe (d = 1,59) und für Angstsymptome in der Angstuntergruppe (d = 1,28) beobachtet. Die gruppeninternen Effekte waren über die Zeit stabil (d = 0,64–1,63). Die Sekundäranalyse zeigt, dass die digitale kognitive Verhaltenstherapie bei Insomnie und komorbiden Symptomen (hohen Anfangssymptomen von Ängstlichkeit beziehungsweise Depressivität) mit nachhaltigen Langzeiteffekten zur Reduktion der Symptomatik führte.

Überlappungen der Angst- und Depressionssymptomatik

Es muss bei der Betrachtung der Ergebnisse beachtet werden, dass es zwischen den beiden Untergruppen Personen mit Angst- oder depressiven Symptomen starke Überschneidungen bei den Teilnehmern gab. In der Untergruppe der Depressionen erfüllten viele Patienten auch die Definitionskriterien der Untergruppe der Angst und umgekehrt in der Angstgruppe erreichten viele Teilnehmende ebenfalls den Grenzwert der Depressionsuntergruppe. Diese Überschneidung spiegelt das häufige gleichzeitige Auftreten von Angstzuständen und Depressionen in der Realität der Gesundheitsversorgung wider (Lamers et al., 2011). Es erklärt zudem, warum es in beiden Untergruppen ähnliche Ausgangsmerkmale und ähnliche Auswirkungen auf die Schlaflosigkeit gab.

Besonderheiten der Analyse

Alle Analysen der Studie waren explorativ. Darüber hinaus waren die Teilnehmer aufgrund der Art der Studie nicht blind gegenüber der Intervention und ihrer Gruppenzuordnung, was möglicherweise zu einer Erwartungs- und Berichterstattungsverzerrung geführt hat. Ebenso waren die Forschenden hinsichtlich der Gruppenzuordnung nicht blind. Die Datenerfassung erfolgte jedoch standardisiert und vollständig online. Darüber hinaus wurden die Daten vor der Analyse verblindet, um die Gruppenzuordnung zu verschleiern. 


Verglichen mit der Gesamtpopulation ist die Anzahl der analysierten Teilnehmenden in den Untergruppen gering. Außerdem war die Verteilung innerhalb der Gruppen nicht gleich (etwa 20 % mehr Teilnehmer in der Kontrollgruppe). Effektgrößen müssen daher mit Vorsicht interpretiert werden. 
Die Sekundäranalyse wurde registriert, bevor die statistischen Analysen durchgeführt wurden, und die Effektgrößen deuten darauf hin, dass die Studie ausreichend aussagekräftig war. 


Es sollte berücksichtigt werden, dass für die komorbiden Erkrankungen keine klinische Diagnose vorlag. 
Darüber hinaus waren die Abbruchquoten 8 Wochen nach der Randomisierung zwar akzeptabel, es zeigte sich jedoch eine höhere Abbruchquote in den dCBT-I-Gruppen im Vergleich zu den WLC-Gruppen. Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, dass fehlende Daten in der Interventionsgruppe auf die Unzufriedenheit der Teilnehmenden mit dem Programm zurückzuführen sind. 
Die Abbruchquoten 6 und 12 Monaten nach Interventionsende waren vergleichsweise hoch. Zukünftige Studien sollten darauf abzielen, die Zahl der Studienabbrechenden durch höhere Anreize oder mehr persönlichen Kontakt zu minimieren. 

Fazit

Insomnie tritt meistens einschließlich des Vorliegens komorbider Erkrankungen auf (Taylor et al., 2005). Die digitale KVT-I ist eine leicht zugängliche Option, um den Betroffenen eine frühzeitige und evidenzbasierte Versorgung zu bieten (Hertenstein et al., 2005). Daher ist es wichtig, Erkenntnisse aus RCTs auf die Regelversorgung zu übertragen und zu untersuchen, ob die digitale KVT-I die Versorgungssituation bei Patienten mit komorbiden Erkrankungen verbessern kann. 


Es gibt Hinweise dafür, dass bei Menschen, die sowohl an Depressionen als auch an Schlafstörungen leiden, die kognitive Verhaltenstherapie für Schlafstörungen (CBT-I) insgesamt wirksamer sein könnte als die herkömmliche kognitive Verhaltenstherapie (CBT) (Blom et al., 2013). 
Es scheint auch, dass CBT-I bei diesen Patienten genauso gut bei der Reduzierung von Angstsymptomen funktioniert wie CBT, die speziell auf Angst und Schlaflosigkeit abzielt (Mason et al., 2022).

Quellen

Adrien, J. (2002). Neurobiological bases for the relation between sleep and depression. Sleep Med Rev, 6(5), 341–351. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/12531125   

Balbo, M., Leproult, R., & Van Cauter, E. (2010). Impact of sleep and its disturbances on Hypothalamo-pituitary–adrenal Axis activity. Int Jof Endocrinol, 2010(759), 234–250.  https://doi.org/10.1155/2010/ 759234 

Blom, K., Jernelov, S., Kraepelien, M., Lindefors, N., & Kaldo, V. (2013). Is insomnia treatment superior to depression treatment for patients with both diagnoses?-results of a randomized controlled trial. Sleep Med, 14, e38–e39. https://doi.org/10.1016/j.sleep.2013.11.054

Harvey, A. G., Murray, G., Chandler, R. A., & Soehner, A. (2011). Sleep disturbance as transdiagnostic: Consideration of neurobiological mechanisms. Clin Psychol Rev, 31, 225–235.

Hagatun, S., Vedaa, O., Harvey, A. G., Nordgreen, T., Smith, O. R. F., Pallesen, S., Havik, O. E., Thorndike, F. P., Ritterband, L. M., & Sivertsen, B. (2018). Internet-delivered cognitive-behavioral therapy for insomnia and comorbid symptoms. Internet Interv, 12,11–15. https://doi.org/10.1016/j.invent.2018.02.003  

Henry, A. L., Miller, C. B., Emsley, R., Sheaves, B., Freeman, D., Luik, A. I., Littlewood, D. L., Saunders, K. E. A., Kanady, J. C., Carl, J. R., Davis, M. L., Kyle, S. D., & Espie, C. A. (2021). Insomnia as a mediating therapeutic target for depressive symptoms: A sub-analysis of participant data from two large randomized controlled trials of a digital sleep intervention. J Sleep Res, 30(1), e13140. https://doi.org/10.1111/jsr.13140

Hertenstein, E., Feige, B., Gmeiner, T., Kienzler, C., Spiegelhalder, K., Johann, A., Jansson-Frojmark, M., Palagini, L., Rucker, G., Riemann, D., & Baglioni, C. (2019). Insomnia as a predictor of mental disorders: A systematic review and meta-analysis. Sleep Med Rev, 43, 96–105. https://doi.org/10.1016/j.smrv.2018.10.006

Lamers, F., van Oppen, P., Comijs, H. C., Smit, J. H., Spinhoven, P., van Balkom, A. J., Nolen, W. A., Zitman, F. G., Beekman, A. T., & Penninx, B. W. (2011). Comorbidity patterns of anxiety and depressive disorders in a large cohort study: The Netherlands study of depression and anxiety (NESDA). J Clin Psychiatry, 72(3), 341–348. https://doi.org/10.4088/JCP.10m06176blu 

Mason, E. C., Grierson, A. B., Sie, A., Sharrock, M. J., Li, I., Chen, A. Z., & Newby, J. M. (2022). Co-occurring insomnia and anxiety: A randomized controlled trial of internet cognitive behavioral therapy for insomnia versus internet cognitive behavioral therapy for anxiety. Sleep, 46(2), 1–15. https://doi.org/10.1093/sleep/zsac205

Schuffelen, J., Maurer, L. F., Lorenz, N., Rötger, A., Pietrowsky, R., & Gieselmann, A. (2023). The clinical effects of digital cognitive behavioral therapy for insomnia in a heterogenous study sample: Results from a randomized controlled trial. Sleep., 46,1–14. https://doi.org/10.1093/sleep/zsad184

Soh, H. L., Ho, R. C., Ho, C. S., & Tam, W. W. (2020). Efficacy of digital cognitive behavioural therapy for insomnia: A meta-analysis of randomised controlled trials. Sleep Med, 75, 315–325. https://doi.org/10.1016/j.sleep.2020.08.020 

Taylor, D. J., Lichstein, K. L., Durrence, H. H., Reidel, B. W., & Bush, A. J. (2005). Epidemiology of insomnia, depression, and anxiety. Sleep, 28(11), 1457–1464. 

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